Ich trete in den Raum der Lerngruppe, jedes Mal werde ich mit anderen konfrontiert, die einfach so viel wissen! Es scheint so, als ob alle anderen schon alle Aufgaben gemacht, alles verstanden und auswendig gelernt haben. Aber wann hätte ich das machen sollen? Bekomme ich je alles in den Griff? Und dann sind noch die schlechten Vorlesungen, der Professor ist mir überhaupt keine Hilfe. Genervt, hilflos und frustriert komme ich nach Hause! Vielleicht kennst Du diese Gefühle?
Schon im Gymnasium habe ich dies als mittelmässiger Orientierungsläufer einmal erlebt. Es gab einen Massenstart, die OL-Karte wurde ergriffen und jeder musste sich ein Bild machen, in welche Richtung er laufen muss. Eine Gruppe von Mitschülern rannten einem sehr guten Sportler nach und ich natürlich auch. Plötzlich hielt ich an, denn ich hatte den Eindruck, dass die Richtung der Anderen nicht stimmt. Von da an bog ich alleine ab und rannte von Posten zu Posten allein weiter. Ich dachte, dass ich wahrscheinlich als Schlusslicht einlaufen werde…
In vielen Situationen bin ich schlussendlich allein und auf mich gestellt. Ich muss meinen eigenen Rhythmus finden. Heute immer noch gibt es bei mir solche Situationen, die mich stressen und unruhig machen. Im Berufsalltag helfen mir folgende 7 Punkte:
- Anhalten (Timeout) und Stossgebet (“Herr hilf”).
- Kurz die Situation anschauen und ordnen.
- Was ist im Moment wichtig priorisieren.
- Die Aufgabe anpacken und Dranbleiben (die Aufgabe bis zu Ende lösen).
- Schritt für Schritt abbauen (vom Wichtigsten und Dringendsten bis zum Unwichtigeren). Jeder Schritt ist ein Schritt näher zum Ziel.
- Nicht an einer Detail-Aufgabe hängen bleiben, sondern wieder zu den Grundlagen zurückgehen und darüber nachlesen. Am Anfang ist alles neu. Ich musste jedes Wort in einem Fremdwörter-Duden oder im Pschyrembel nachschlagen, heute natürlich im Wikipedia, Google usw.
- Gewisse Dinge muss man einfach stehen lassen und weiter gehen. Man kann und muss nicht alles bis ins Detail perfekt verstehen. Es ist auch okay, mal etwas nicht zu wissen.
Als Medizinstudent bist Du jetzt am Lernen, wie es später im Arbeitsalltag sein wird, sei es später als Assistenzarzt auf der Station, als Operateur vor einem Notfalleingriff, als Oberärztin vor einer unklaren medizinischen Situation oder als Arzt vor einer Reanimation.
Die Frage ist immer: Schaffe ich es? Doch ich muss einfach mal losgehen. Ob ich es schaffe, sehe ich nur, wenn ich durch die Situation hindurchgehe.
Ich bin auf mich gestellt. Jedoch nicht allein gelassen, denn Gott ist da. Dies wirst Du vielleicht einmal im richtigen Moment auch einem Patienten sagen können.
Zurück zum oben beschriebenen OL. Ich rannte allein von Posten zu Posten, und… ich war, zu meinem grössten Erstaunen, der Erste, der im Ziel ankam und der zweite (es war ein Zweier-Gruppe-OL) konnte loslaufen.
Was waren für Dich Lernfrustrationen? Wo hast Du Stress erlebt und was hat Dir in solchen Situationen geholfen? Teile dies doch gerne unten in den Kommentaren mit. 😊