Du bist, was du liest _ das eine tun und das andere nicht lassen

Du bist unterwegs ins Arztsein und wälzt grosse Mengen an medizinischer Literatur. Je mehr du davon aufnehmen kannst, desto besser. Du siehst hinter all dem Studieren bereits die Patienten, die einmal von deinem Wissen profitieren werden. Aber daneben gibt es doch noch die Bücher, die eher deinen Charakter formen, die dir ebenfalls wertvolle Schätze mitgeben können und die deinen Werdegang genauso beeinflussen werden.

Wenn ich meine Bücher anschaue, frage ich mich, ob sie wirklich meine Prioritäten und Interessen widerspiegeln. Einige bedeuten mir mehr, andere weniger. Sie haben mich in unterschiedlichem Mass geprägt. Ein Beispiel: Vor ein paar Jahren beschäftigten mich Fragen zu Glauben und Wissenschaft und ich entdeckte den Autor Arthur Ernest Wilder-Smith, der einiges zu diesem Thema geschrieben hat. Nach einigen Aufsätzen und einem Buch über dieses Thema las ich seine Biografie. Durch seine Lebensgeschichte wurden die Aufsätze für mich noch lebendiger und sein Werk hinterliess in mir einen bleibenden Eindruck.

Dennoch, der Satz “du bist, was du liest” ist sicher eine ziemlich überspitzte und auch grob vereinfachende Wendung. Lass dich durch das Interview[1] mit Robert herausfordern[2]:

Adrian: Robert, du hast uns (deine Leser) vor einiger Zeit gefragt, was uns in Bezug auf Glauben und Medizinstudium beschäftigt[3]. Dann bekamst du von mir ein Mail. Es geht darum, dass ich als Christ das Bedürfnis habe, geistliche Literatur zu lesen, aber neben meinem Medizinstudium nicht immer die Zeit dazu finde. Du hattest mir einiges dazu zu sagen!

Robert:  Deine Frage hat mich ziemlich herausgefordert, gerade weil ich eigentlich gar nicht ein Viel-Leser bin. Wenn mich etwas beschäftigt, suche ich das Gespräch und höre viel zu. Vielleicht lese ich auch noch etwas dazu, aber eher situativ.

Adrian: Du hast in deinem Blog einmal über Bibellesen geschrieben. An einer Stelle schreibst du: “Je mehr wir die Bibel lesen, desto mehr machen wir die Bibel zu einem Teil von uns.”[4] Kannst du uns das noch genauer erklären?

Robert: Ich erlebe es als einen Wachstumsprozess in der Verbundenheit mit Gott. Kurz nachdem ich Christ wurde, besorgte mir mein Bruder eine Bibel und motivierte mich dazu, sie regelmässig zu lesen. Ich entdeckte, wie ich dadurch in eine Beziehung zu Gott kam. Mein Leben bekam vermehrt Tiefgang und ich lernte in der Geschichte Gottes mit den Menschen einen roten Faden erkennen. Ich erhielt Antworten auf existentielle Fragen und lernte mich in meiner Hilfsbedürftigkeit gegenüber Gott mehr und mehr kennen. Eine besondere Hilfe war mir dabei ein Leseplan, mit dem ich die Bibel wiederholt in jeweils 1-2 Jahren durchlas.

Adrian: Es würde mich nun auch noch interessieren, welche Bücher und Autoren dich ausser der Bibel sonst noch geprägt haben.

Robert: Da gäbe es einige aufzuzählen, die mich herausgefordert haben. Francis Schaeffer[5] sprach besonders in mein Leben hinein, obwohl ich ihn nicht mehr persönlich kennenlernen konnte. Er war ein presbyterianischer Pfarrer, der sich nach dem zweiten Weltkrieg besonders mit den theologischen Fragestellungen seiner Zeit befasste und schlussendlich mit seiner Frau das Werk “L’Abri” gründete, um Menschen mit existentiellen Fragen einen Zufluchtsort zu bieten. Was ich aus seiner systematischen Theologie in 66 Kassetten lernen konnte, hat mich geprägt und war mir im späteren Verlauf meines Lebens immer wieder eine grosse Hilfe. Francis Schaeffer wurde so für mich zu einem Mentor.

Adrian: Erkläre uns doch nochmals das Konzept des Mentoring und was es mit Bücherautoren zu tun hat.

Robert: Es kommt aus der altgriechischen Literatur. Der König Odysseus vertraute seinen Sohn Telemach dem Lehrer Mentor an: Er sollte Telemach in die Königsberufung und Königswürde führen, ihn begleiten und fördern. Bei Mentoring geht es also darum, jemanden in eine Aufgabe oder Stellung hineinzuführen. Gute Mentoren können im Leben prägend sein und sind oft ein Geschenk Gottes. Beispielsweise können ältere gute Freunde, Eltern oder Geschwister durch ihr Begleiten und Fördern für uns zu Mentoren werden, aber auch Bücherautoren, wenn sie uns durch ihr niedergeschriebenes Leben eine praktische Hilfe und ein Vorbild sind.[6]

Adrian: Nun zum Faktor Zeit. Woher hast du dir die Zeit genommen, um beispielsweise die 66 Kassetten von Francis Schaeffer durchzuarbeiten?

Robert: Das ist eine gute Frage! Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich die in meinen freien Monaten nach dem Staatsexamen gehört. Es ist sicher empfehlenswert, solches in einer time-out Phase zu tun. Man kann auch mal in den Ferien eine Woche dafür investieren. Einige machen sich eine Zeit frei und gehen an eine Bibelschule, DTS oder worship school. Ich kann auch sehr empfehlen, im Selbststudium ein Glaubensbekenntnis aus der reformatorischen Zeit zu bearbeiten, beispielsweise die Westminster Confession, die 39 Articles der Anglikanischen Kirche oder auch ein schweizerisches Glaubensbekenntnis.

Adrian: Viele Menschen erleben ihre Studentenzeit als eine sehr turbulente Zeit, weil sie sich in besonderem Mass mit grossen Lebensfragen beschäftigen. Wie findet man Antworten auf solche Fragen?

Robert: Ich glaube das ist in jeder Phase des Lebens so. Es stellen sich Beziehungsfragen, Fragen des Glaubens und der Nachfolge, Fragen zur Gemeindezugehörigkeit. Besonders die Christen, die in einem gläubigen Elternhaus aufgewachsen sind, müssen sich irgendwann mit der Frage auseinandersetzen, was der Glaube für sie persönlich und konkret bedeutet. Im Umgang mit diesen Fragen erscheinen mir das persönliche Gebet und Bibelstudium, eine verbindliche Zugehörigkeit in einer Kirche und die Unterstützung und Begleitung durch gute Berater als sehr wichtig. Die Auswahl der richtigen Berater ist aus meiner Sicht ein Schlüsselpunkt: Wem erlaubst du, in dein Leben zu sprechen? Ich würde sehr empfehlen, deine Eltern als Berater miteinzubeziehen, falls dies möglich ist, denn sie kennen dich von allen Menschen am besten und haben nur schon deswegen bestimmt eine Weisheit bereit, die dir helfen kann. Dazu findest du vielleicht noch einen Seelsorger, einen Mentor, der dich speziell durch die Fragen, mit denen du dich beschäftigst, begleiten kann.

Adrian: Was möchtest du uns zum Schluss noch mitgeben?

Robert: Wir müssen in unserer Zeit sehr bewusst darauf achten, wie wir unsere Zeit nutzen. Es gibt viele Ablenkungsmöglichkeiten. Wir müssen unbedingt auf einen massvollen Umgang mit Medien achten und sollten unser Engagement in diversen Aktivitäten überlegt gestalten.

Adrian: Vielen Dank für dein Engagement durch deinen Blog 🙂

Robert: Das geschieht sehr gern!

Hier das Interview als Film:

Hast du Kommentare oder Fragen dazu, schreibe dies unten in den Kommentar. Es wäre toll, von dir zu hören.

Du kannst auch Deine Fragen und Anliegen zu weiteren Blogs über Slido (https://app.sli.do/event/wuaf9vt4) eingeben (gültig bis 4.12.21).


[1] Du kannst das Interview auch als Video am Schluss anschauen.

[2] Dies entstand im Austausch mit Robert (E-Mail, Zoom).

[3] Siehe https://robertstern.ch/blog/deine-fragen-sind-mir-wichtig-sag-mir-was-dir-am-herzen-liegt/ (du kannst jetzt wieder über Slido Fragen und Themen eingeben!).

[4] Siehe https://robertstern.ch/blog/wie-der-medizinstudent-die-bibel-als-starke-gewohnheit-in-einer-stressigen-zeit-liest/.

[5] Siehe dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Francis_Schaeffer [27.11.2021].

[6] Eine weitere Hilfe siehst du bei https://robertstern.ch/blog/super-mentoren-als-geschenk-was-muss-ich-tun/.

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