Lohnt es sich, Arzt zu werden? Zahlt sich dein Opfer aus…

«Höre in meinem WSJ (Wahlstudienjahr) gerade viele zynische Aussagen von Ärzten über ihren Beruf. Lohnt es sich, Arzt zu werden? Macht es Freude? Kostet es (zu) viel?»[1] Zahlt sich dein Opfer aus?

Ich war eher der Typ, der einfach mal losgegangen ist und nicht zu viele Fragen über die Arbeit gestellt habe. Aber auf dem Weg gab es immer wieder Momente, wenn der Alltag überwältigend war, da haben andere Personen gute Ratschläge gegeben. Hier aus meiner Sicht ein paar Gedanken zum Thema, ob sich der Weg zum Arzt lohnt. Vielleicht sind diese hilfreich.

Was heisst Lohnen?

  • Finanziell: Der Durchschnittslohn ist immer noch akzeptabel, auch wenn er weit tiefer ist als in Berufen, in denen der gleiche Aufwand aufgebracht wird; man kann jedoch gut davon leben. Die Finanzen sind, wie Du jetzt vielleicht gerade denkst, nicht das Wichtigste, deswegen erwähne ich in der Folge weitere für mich wichtige Aspekte.
  • Zeitaufwand: Der ist zeitweise gross, vor allem wenn es um Dienst am Wochenende oder durch die Woche geht und vor allem in den ersten Jahren der Assistenzzeit. Aus meiner Sicht gibt es zwei Dinge dazu:
    • Wir wollen Patienten gesund machen, leben aber zeitweise sehr an der Grenze von krankmachend sich selbst gegenüber. Wir müssen neu über Life-Balance nachdenken; das Wort Work-Life-Balance finden meine Frau und ich nicht so hilfreich, da dies die Arbeit wieder zu etwas besonderen macht. Mehr dazu später.
    • Ein mögliches Ziel kann sein, möglichst schnell an Orte zu kommen, an denen man mehr gestalten kann. Dies ist zum Beispiel die Praxis, oder eine Stelle als Leitender Arzt (vorher kann man nur wenig gestalten) oder in eine leitende Funktion in der Forschung (siehe als Beispiel Corbett, eine erfrischende dunkelhäutige Frau und Christin, die mit einem Team die m-RNA-Impfungen entwickelte (Moderna) und auch bezüglich Forschungskarriere Empfehlungen gibt [https://youtu.be/kgmjw9_vE9c (26.6.2021)]).
    • Du kannst das vorher genannte (Selbstgestaltung) jetzt schon üben. Suche dir 20% deiner Zeit Tätigkeiten, die dich voll motivieren (Kurse, Praktika, suche Lehrer in den Spitälern, die dich motivieren usw.); dann kommst du über die restlichen 80% hinweg, die frustrierend sind; diese 80% sind dann Charakterschulung. Dies wird dich auch später in der Assistentenzeit begleiten.
  • Patient als Auslöser: Wenn dem Patienten geholfen wird und dieser ein Schritt oder mehrere Schritte vorwärtskommt ist dies selbst sehr lohnend.

Im Studium ist das viele Lernen ein normaler Auslöser für die Frage, lohnt sich dieses Opfer. Dazu ein paar Gedanken:

  • Die Frustrationen bezüglich lernen kann viele Gründe haben:
    • Du vergleichst dich mit anderen, die können es meistens besser. Was dahinter läuft kann dann plötzlich sehr erstaunlich sein. Ich hatte einen Kollegen, der sehr häufig vorgab, dass er viel lerne und viel zu wissen schien. Später habe ich erfahren, dass er zunehmend psychische Probleme hatte. Vergleichen ist grundsätzlich heikel. Es gibt Superhirne und «weniger super» Hirne. Beide braucht es. Du musst deinen eigenen Rhythmus finden.
    • Schlechte Lehrer: Dies ist ein Übel, welches wir nur schlecht ändern können. Diesen Lehrern auszuweichen wäre eine Möglichkeit. Da gibt es viele Taktiken. Gib unten im Kommentar Ideen an, wie du dies im Studium löst oder gelöst hast.
    • Du bist daran, deine optimale Lernform zu finden. Dies ist ein Prozess und braucht eine Weile. Einfach dranbleiben, bis du durchdringst und den Weg findest. Es gibt auch gute Kurse dazu (zum Beispiel: https://www.cfc.ch/mitmachen/angebote/?item=seminar-erfolgreich-studieren [26.6.2021]).
Neverending
  • Du hast das Gefühl, dass es nie aufhören wird; zuerst die vorklinische Zeit, dann die Blockzeit oder die Praktika, dann die Assistentenzeit, dann usw. Du denkst dann vielleicht, dass du keine Hobbies machen kannst. Ein Paar Gedanken dazu:
    • Weniger oder andere Hobbies, dies kann sein, aber diese werden angepasster, passend zur Life-Balance;
    • Die Patienten werden einmal für dein jetziges Lernen und Engagement dankbar sein;
    • Gehe an Orten, wo du die Patienten erlebst: Praktika, Nachtwache, Mithilfe bei den Covid-Impfungen usw. Die Chance ist dann gross, dass dein Herz sich zu den Patienten ziehen wird und dies deine Gefühle bestimmt. Vielleicht zeigt dir Gott durch einen Patienten, wozu du berufen bist. Dadurch wird dein Opfer am Anfang später ein Segen für den anderen.

Vieles ist eine Berufungsfrage und das Verständnis darüber:

Berufung
  • Wie wurdest Du in die Medizin geführt und wo gab es Bestätigungen? Schreibe dies auf, damit du dies gerade in Zeiten mit Frust wieder nachlesen kannst.
  • Wo sind offene und geschlossene Türen. Schon nur das Bestehen des Numerus Clausus ist eine offene Tür schlussendlich von Gott, der souverän ist (ein sehr guter YouTube-Film dazu zu offenen und geschlossenen Türen siehe: https://www.youtube.com/watch?v=T1Lqd8uCgBI%29&feature=youtu.be (25.6.2021)).
  • Life-Balance ist ein lebenslanger Grundsatz, wo immer man auch ist. Wir alle müssen wieder lernen, als solche, die andere gesund machen wollen, auch selbst gesund zu leben:
    • Medizin ist nur ein Teil der Berufung. Es gibt noch Persönliches, die Familie, die Gemeinde/Kirche, die Freunde und der Staat.
    • Ich bin in meiner Situation gerade daran, wieder eine «ganzheitliche Standortbestimmung» zu machen, was es heisst gesund zu leben. Dies beinhaltet Fitness, Essen, Beziehung zu Gott, Beziehung zu anderen usw.

Mit einer Life-Balance schon im Studium mit Hilfe von Vorbildern, die positiv beeinflussen, und Mentoren[2] bin ich überzeugt, dass du mindestens 20% der Zeit Freude finden kannst.

In der Medizin gibt es inzwischen so viele Tätigkeiten[3], dass es für jeden mit Gottes Hilfe einen Platz hat.

Schlussendlich «…seid nicht bekümmert; denn die Freude am HERRN ist eure Stärke.»[4] Das lohnt sich auf alle Fälle!


[1] Slido-Eintrag als Reaktion auf den Blog https://robertstern.ch/blog/deine-fragen-sind-mir-wichtig-sag-mir-was-dir-am-herzen-liegt/.

[2] Siehe dazu mein Blog https://robertstern.ch/blog/super-mentoren-als-geschenk-was-muss-ich-tun/.

[3] Siehe zum Beispiel: https://www.berufsberatung.ch/dyn/show/25121 oder https://www.berufsberatung.ch/dyn/show/44844 (24.6.2021).

[4] Nehemia 8.10b (Lutherbibel 2017 (https://www.bibleserver.com/LUT/Nehemia8%2C10 (24.06.2021)).

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